Das Handelsblatt nimmt weitere herausragende Unternehmerpersönlichkeiten in die Hall of Fame der Familienunternehmen auf: Vor rund 200 geladenen Gästen aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft wurden am Mittwochabend im feierlichen Ambiente des Münchener The Charles Hotels die unternehmerischen Leistungen von Veronika und Hans Lindner, Holger Loclair und Martin und Maximilian Viessmann ausgezeichnet. Posthum wurden Karl und Theo Albrecht als Ehrenmitglieder in die Hall of Fame aufgenommen.
Der Unternehmer Hans Lindner aus dem niederbayerischen Arnstorf schuf in den vergangenen 55 Jahren einen Baukonzern, der seinesgleichen sucht. Seine Lindner Group hat die Decken des Flughafens von Hongkong geliefert, die Moschee in Mekka ausgestattet und auch die modernsten Kreuzfahrtschiffe von Aida-Nova. Decken, Fassaden und Isoliertechnik, Dächer, Reinräume und Türen – der Sohn einer Gastwirtfamilie wuchs mit und an den Wünschen seiner Kunden. Am Flughafen Frankfurt sind Lindners Mitarbeiter derzeit sogar dafür verantwortlich, ein ganz neues Terminal zu errichten. Heute zählt die Gruppe 7.500 Mitarbeiter, der Umsatz lag zuletzt bei 1,1 Milliarden Euro. „Mit den Technologiesprüngen der Branche hält er nicht einfach nur Schritt, sondern ist oft selbst Schrittmacher“, sagt Vera Elter, Vorstand für Personal und Familienunternehmen bei KPMG in ihrer Laudatio. Das Geschehen in seinem Unternehmen verfolgt Hans Lindner noch immer, aus dem Tagesgeschäft hat er sich jedoch zurückgezogen. Tochter Veronika führt den Verwaltungsrat und überwacht die 13 Vorstände, die den Betrieb eigenständig führen. Die 44-Jährige nimmt damit inzwischen die Schlüsselrolle in der Familienfirma ein. „Ich versuche, alles zusammen zu halten“, erklärt Veronika Lindner ihre Aufgabe.
Martin und Maximilian Viessmann ist es gelungen, gleich drei Herausforderungen der deutschen Familienunternehmen frühzeitig zu bewältigen: „Sie haben nicht nur in Maschinen, Patente und neue Produkte investiert, sondern wie wohl kaum ein anderes Familienunternehmen in die drei großen Megatrends unserer Zeit: Nachhaltigkeit, Generationswechsel und Digitalisierung“, sagt Stefan Heidbreder, Geschäftsführer der Stiftung Familienunternehmen in seiner Laudatio. Vor 40 Jahren trat Martin Viessmann in das von seinem Großvater 1917 gegründete Familienunternehmen ein, das schon damals enorm gewachsen war und heute ein führender Hersteller von Energie- und Klimalösungen ist. Martin Viessmann stieg zum kaufmännischen Leiter und schließlich zum geschäftsführenden Gesellschafter neben seinem Vater Hans auf und übernahm 1992 die alleinige Führung. Er internationalisierte das Unternehmen. Nachhaltigkeit war schon sehr früh sein Thema, bereits 1995 wurde das Unternehmen nach der europäischen Öko-Audit-Verordnung EMAS zertifiziert. Schon 2012 erfüllte das Unternehmen in Deutschland wichtige Klimaziele: Es wurden – relativ gesehen – so viele Ressourcen eingespart, wie es die Bundesregierung bis 2050 plant. Martin Viessmann wurde schon bald klar, dass das Familienunternehmen digitaler denken muss. Sein Sohn Maximilian ist ein Antreiber dieser Entwicklung. Der studierte Wirtschaftsingenieur übernahm schon 2016 die Funktion des Chief Digital Officers und ist mittlerweile Co-CEO. Beide Generationen gestalten heute die Zukunft des Unternehmens.
Holger Loclair hat eine Erfolgsgeschichte geschrieben, die ihresgleichen sucht. Der promovierte Chemiker schuf aus einem ehemaligen volkseigenen Betrieb in der DDR eines der Top-500-Familienunternehmen in Deutschland, das es mit US-Giganten aufnimmt. Die selbstklebenden Spezialfolien von Orafol finden sich auf Flugzeugen und Schiffen, auch Autos können komplett verkleidet oder mit Werbeslogans versehen werden. Autobahnschilder und Baustellenmarkierungen kommen ebenfalls aus Oranienburg, aber auch lichtleitende Elemente für Sensoren und Displays sowie Spezialfolien für Reisepässe. Loclair startete einst als Chemiker in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung des damaligen VEB Spezialfarben Oranienburg. In der Wendezeit nutzte er ein kleines Zeitfenster, um aus dem ehemaligen VEB ein mittelständisches Unternehmen zu formen. Mit 66 Mitarbeitern startete er durch und fand in Klaus Schmidbaur einen Investor. Seitdem ist das Unternehmen rasant gewachsen. Heute setzt die gesamte Gruppe mit 1.080 Mitarbeitern in Oranienburg und 2.500 Beschäftigten weltweit 623 Millionen Euro um. 30 Jahre nach dem Mauerfall hat Loclair bewiesen, wie das Unternehmertum in einem Menschen wachsen kann.
Eine besondere Würdigung erhalten Karl und Theo Albrecht posthum für ihr Lebenswerk. Die Jury hat einstimmig beschlossen, die Gründer von Aldi Süd und Aldi Nord zu Ehrenmitgliedern der Hall of Fame der Familienunternehmen zu ernennen. Die beiden sind Handelspioniere, die in ihrer Branche Maßstäbe gesetzt haben. Sie gelten als Erfinder des Discountprinzips im Lebensmittelhandel. Sie haben aus dem Krämerladen ihrer Eltern zwei erfolgreiche Weltkonzerne geschaffen, die heute fast 200.000 Mitarbeiter beschäftigen – und sind doch bis zu ihrem Tode bescheiden und bodenständig geblieben.
Mit der Hall of Fame der Familienunternehmen zeichnet das Handelsblatt jedes Jahr mit freundlicher Unterstützung der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG und der Stiftung Familienunternehmen herausragende Persönlichkeiten aus Familienkonzernen und mittelständischen Firmen aus. Neben einem erfolgreichen Wirken in der Unternehmensführung bewertet die Jury dabei auch die Leistung der Familie, wenn diese als Haupteigner maßgeblich und erfolgreich auf die Strategie des Unternehmens einwirkt. Weitere Kriterien sind unter anderem die dauerhafte Sicherung und Neuschaffung von Arbeitsplätzen durch Innovation und herausragende Produktivität, umweltgerechtes Wirtschaften sowie soziales und kulturelles Engagement.
Bisherige Mitglieder der Hall of Fame der Familienunternehmen:
2019: Martin Krengel, Stefan Messer, Renate Pilz, Susanne Kunschert und Thomas Pilz; Ehrenmitglied: Prof. Dr. Berthold Leibinger
2018: Alexandra Schörghuber, Angelique Renkhoff-Mücke, Dr. Klaus Murjahn und Dr. Ralf Murjahn; Ehrenmitglied: Siegfried Meister
2017: Dr. Antje von Dewitz, Dr. Manfred Fuchs, Baldwin und Nikolaus Knauf
2016: Nicola Leibinger-Kammüller, Jörg Sennheiser, Roland Mack
2015: Hans Peter Stihl, Prof. Dr. Michael Popp, Maria-Elisabeth Schaeffler-Thumann; Mitglieder – Next Generation: Oliver, Marc und Alexander Samwer
2014: Regine und Erich Sixt, Dr. Peter-Alexander Wacker
Ehrenmitglied: Carl Gottfried Wilhelm Hagenbeck
2013: Helga und Erivan Haub, Prof. Dr. Anton Kathrein
Ehrenmitglieder: Bertha Benz, Dr. August Oetker
2012: Prof. E.h. Klaus Fischer, Martin Kannegiesser und Bernard Meyer
Ehrenmitglieder: Margarete Steiff und Johann Vaillant
2011: Dr. Jürgen Heraeus, Dr. Markus Miele, Dr. Reinhard Zinkann, Gerhard Winklhofer
Ehrenmitglieder: Hermann Bahlsen, Robert Bosch, Rosemarie Veltins
2010: Friedrich von Metzler, Dr. Heinrich Weiss
Ehrenmitglieder: Melitta Bentz, Albert Boehringer, Carl von Linde, Carl Zeiss
2009: Dr. Martin Herrenknecht, Prof. Dr. Berthold Leibinger
Ehrenmitglieder: Dr. Heinrich Dräger, Dr. Konrad Henkel, Irene Kärcher, Alfred Freiherr von Oppenheim, Emil Underberg
Die Mitglieder der Jury:
- Sven Afhüppe (Vorsitz), Chefredakteur Handelsblatt
- Klaus Becker, Sprecher des Vorstands, KPMG AG
- Stefan Heidbreder, Geschäftsführer der Stiftung Familienunternehmen
- Martin Herrenknecht, Vorstandsvorsitzender, Herrenknecht AG
- Hubertine Underberg-Ruder, Präsidentin des Verwaltungsrats, Underberg AG
- Friedrich von Metzler, Gesellschafter, B. Metzler seel. Sohn & Co. KGaA
- Susanne Veltins, Eigentümerin, Brauerei Veltins
Weitere Informationen, Porträts, Chroniken und Impressionen der Veranstaltung gibt es unter: http://www.handelsblatt.com/hall-of-fame