Im Rahmen einer feierlichen Gala ist in Frankfurt der renommierte Georg von Holtzbrinck-Preis für Wirtschaftspublizistik vergeben worden. Geehrt wurden Autorinnen und Autoren sowie Redaktionsteams von WDR, Spiegel Online und Handelsblatt in den Kategorien Text, Audiovisuell und Interaktive Multimedia-Speziale. Mit dem Preis zeichnen Verleger Dieter von Holtzbrinck und eine hochkarätige Jury jedes Jahr herausragende journalistische Leistungen im Bereich der Wirtschaftsberichterstattung aus. Gleich doppelt vergeben wurde zudem der Ferdinand Simoneit-Nachwuchspreis.
Gewinner in der Kategorie Text ist das Handelsblatt-Autorenteam Bert Fröndhoff, Thomas Jahn, Katharina Kort, Anke Rezmer und Britta Weddeling. Unter dem Titel „Milliardenfalle Glyphosat“ haben sie hinter die Kulissen einer der größten Unternehmensübernahmen der deutschen Wirtschaftsgeschichte geblickt und detailliert die Folgen beschrieben. Mit Monsanto will sich der Chemiekonzern Bayer fit für die Zukunft machen, hat sich damit aber auch erhebliche und unkalkulierbare Rechtsrisiken ins Haus geholt. Die Klageflut wegen der angeblich krebserregenden Wirkung des Unkrautvernichters Glyphosat nimmt kein Ende. Die Autoren arbeiten das emotionale Thema mit einer betont sachlichen Sprache und nüchterner Analyse auf. Der Report schlägt geschickt die Brücke zwischen Geschehnissen im Gerichtssaal, Entscheidungen in der Konzernzentrale und Situation derjenigen, die wegen ihrer gesundheitlichen Gebrechen gegen Bayer/Monsanto vor Gericht zogen.
Um die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar geht es beim Sieger in der Kategorie Audiovisuell – und das aus einer besonderen Perspektive. Unter dem Titel „Gefangen in Katar – Ausbeutung vor der WM 2022“ hat Benjamin Best für den WDR die katastrophalen Zustände recherchiert, unter denen Arbeiter für den Wüstenstaat die Sporttempel errichten. Der Autor stellt die öffentlichen Erklärungen etwa der FIFA, die Missstände beseitigen zu wollen, gegen die brutale Realität: Gastarbeiter aus Nepal, Indien und Bangladesch, denen die Pässe weggenommen werden, die auf ihren Lohn warten und ihre auf finanzielle Unterstützung angewiesenen Familien zu Hause im Stich lassen müssen. Angesichts der Bilder aus den Unterkünften und den erschütternden Aussagen der Betroffenen lässt der Film die Bekundungen der FIFA und die Ausreden der beteiligten Unternehmen als inhaltsleer und wertlos erscheinen.
Misshandlung von Menschen steht auch beim Gewinner in der Kategorie Interaktive Multimedia-Speziale im Mittelpunkt. In dem Web-Spezial „Das dunkle System“ geht Spiegel-Online-Redakteur Stefan Schultz der systematischen Verfolgung von Menschen nach der Gründung der Volksrepublik China nach. 50 Millionen Bürger soll das „Regime“ seitdem inhaftiert haben. Das Besondere: Schultz hat die drei „Helden“ seiner Geschichte – ehemalige Inhaftierte – über sechs Jahre lang begleitet. Entlang ihrer persönlichen Geschichte wird über einen tragenden Text und begleitet von Fotos, Videos und ansprechenden Grafiken die Situation der „Geächteten“ geschildert. Herausgekommen sind berührende Einblicke in den Alltag im Straflager und in die schwierige Situation der Angehörigen. Das Spezial nimmt mit und klärt gleichermaßen auf.
Gleich zwei junge Journalisten durften sich über den Ferdinand Simoneit-Nachwuchspreis freuen: Handelsblatt-Redakteurin Kathrin Witsch reiste in die Lausitz, um den Kohle-Ausstieg und die Folgen einzufangen. In ihrer Reportage „Raus aus der Kohle – Ist die Lausitz noch zu retten“ zeigt sie einfühlsam, wie der gewaltige Umbruch, der bereits seit Jahren im Gange ist, Kommunalpolitiker wie Bürger fordert. Wie können Unternehmen angesiedelt, wie kann die Infrastruktur ertüchtigt und attraktiv gemacht werden? Witsch gelingt es, die Protagonisten nicht als Verlierer darzustellen, sondern als Menschen, die versuchen, was möglich ist, und dabei durchaus kreativ zu Werke gehen.
Ein ganz anderes Thema hat sich Lukas Zdrzalek von Capital vorgenommen: die Altersvorsorge von Frauen. Der Autor verleiht der Thematik durch einen besonderen Kniff Zugkraft. Seine Heldin ist eine Nonne, die das millionenschwere Portfolio einer Abtei steuert. Durch diesen besonderen Blick gelingt es, das Thema Geld und Anlage nicht nur unterhaltsam zu vermitteln. Geldanlage wird auch zu einer Angelegenheit, die keineswegs nur etwas für „Experten“ ist.
Der Georg von Holtzbrinck-Preis für Wirtschaftspublizistik wird seit dem Jahr 2000 verliehen. Der Ferdinand Simoneit-Nachwuchspreis für Wirtschafts- und Finanzjournalismus seit 2012. Alle Auszeichnungen sind mit jeweils 5.000 Euro dotiert.
Die Jury:
- Sven Afhüppe, Chefredakteur, Handelsblatt
- Thomas Bellut, Intendant, Zweites Deutsches Fernsehen
- Alexandra Borchardt, Director of Strategic Development, Reuters Institute for the Study of Journalism at the University of Oxford
- Dieter von Holtzbrinck, Verleger, DvH Medien GmbH (Vorsitz)
- Dr. Michael Hüther, Direktor und Mitglied des Präsidiums, Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V.
- Tonio Kröger, Geschäftsführer, antoni GmbH
- Dr. Miriam Meckel, Gründungsverlegerin, ada
- Dr. Henrik Müller, Professor für wirtschaftspolitischen Journalismus, Technische Universität Dortmund
- Klaus-Peter Müller, ehem. Vorsitzender des Aufsichtsrats, Commerzbank AG
- Nicole Prüsse, Geschäftsführerin Zentral-, Nord- und Osteuropa, ZenithOptimedia
- Carola Gräfin von Schmettow, Sprecherin des Vorstands, HSBC Deutschland
- Jochen Wegner, Chefredakteur, Zeit Online