Pressemitteilung Düsseldorf den 25.06.2021 Handelsblatt Research Institute

Handelsblatt Research Institute: Aufschwung ja, aber kein Boom in Sicht

Ungeachtet der deutlich sinkenden Corona-Neuinfektionen hat das Handelsblatt Research Institute (HRI) seine Konjunkturerwartungen für das laufende Jahr bestätigt. Die HRI-Ökonomen rechnen für 2021 weiterhin mit 2,7 und 2022 mit 3,7 Prozent Wirtschaftswachstum in Deutschland. Das höhere Wachstum im kommenden Jahr ist vor allem dem statistischen Überhang zu verdanken, der aus dem starken zweiten Halbjahr 2021 resultiert. Mit seiner Prognose ist das HRI vorsichtiger als die meisten anderen Wirtschaftsforschungsinstitute.

Das HRI betont in seiner Prognose vier Unwägbarkeiten, die gegen höheres Wachstum oder gar einen Konjunkturboom sprechen. Unwägbarkeit Nummer eins seien die Virusmutationen. Noch sei die „Delta“-Variante hierzulande selten, doch habe dies auch zunächst für „Alpha“ gegolten, ehe sich diese Variante dann durchsetzte und die vorerst letzte Infektionswelle auslöste. Unwägbarkeit Nummer zwei seien die Impfstofflieferanten, die immer wieder mit Produktionsproblemen von sich reden machten. Unwägbarkeit Nummer drei seien die Material- und Vorproduktmängel, die große Teile des Baus und der Industrie lahm zu legen drohten. Damit einher geht Unwägbarkeit Nummer vier, denn diese Knappheiten werden weiter verschärft durch Engpässe in Chinas Mega-Hafen Yantian. Als Folge scharfer Corona-Maßnahmen komme es dort zu Wartezeiten von teils mehr als zwei Wochen, die für die globalen Logistikketten zum Stresstest werden dürften, so das HRI.

Ungeachtet dieser Risiken dürfte der private Konsum laut HRI in den Sommermonaten den Einbruch aus dem Winter nahezu wettmachen. Dennoch falle dieser für die Gesamtleistung des Jahres 2021 als Wachstumstreiber aus. Das Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr werde daher vornehmlich durch die weiterhin hohen Staatsausgaben, die wieder anziehenden Ausrüstungsinvestitionen und nicht zuletzt dem Außenhandel beflügelt. „Wenn die beiden größten Volkswirtschaften der Welt, USA und China, boomen, profitieren exportorientierte Volkswirtschaften wie die deutsche über kräftig anziehende Ausfuhren naturgemäß besonders stark“, sagt HRI-Präsident Bert Rürup.

Steigende Nachfrage, teure Energie sowie mehrere Sondereffekte sorgen laut HRI dafür, dass die jahresdurchschnittliche Inflation dieses Jahr 2,8 Prozent betragen dürfte. Das wäre der höchste Wert seit 1993. Für 2022 sei keine echte Entspannung zu erwarten. Zum einen dürften sich die derzeit in vielen Bereichen bemerkbarmachenden Preissprünge bei Material und Vorprodukten auf die Endverbraucherpreise durchschlagen. Zudem werde der kräftige Aufschwung in vielen Dienstleistungsbereichen für Preiserhöhungen genutzt. Hinzu komme, dass die Dekarbonisierung der Wirtschaft perspektivisch die Preise nahezu aller Produkte direkt oder indirekt in die Höhe treiben werde. Vor diesem Hintergrund dürfte 2022 die jahresdurchschnittliche Teuerung in Deutschland lediglich auf 2,3 Prozent sinken – und damit das zweite Jahr in Folge über dem Zielwert der EZB liegen.

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