Pressemitteilung Düsseldorf den 18.03.2022 Handelsblatt Research Institute

HRI-Konjunkturprognose: Der Aufschwung stockt, doch eine echte Rezession ist nicht in Sicht

Das Handelsblatt Research Institute (HRI) hat seine Wachstumserwartungen deutlich gesenkt. Die Ökonomen erwarten nunmehr, dass die deutsche Wirtschaft dieses Jahr um 2,7 Prozent und im kommenden Jahr um 2,0 Prozent wachsen wird. Zum Jahreswechsel hatte das HRI noch Wachstumsraten von 3,4 und 2,3 Prozent erwartet. Trotz der Revision befindet sich das HRI am unteren Rand des Prognosespektrums. Von Bloomberg befragte Ökonomen erwarten im Mittel 3,0 und 2,7 Prozent Wachstum in Deutschland.

Der Überfall Russlands auf die Ukraine habe die gesamtwirtschaftlichen Koordinaten verschoben, heißt es in der Institutsprognose. Bewährte Vergangenheits-Zukunfts-Symmetrien und Verhaltensmuster würden nicht mehr gelten. „Es gibt daher kein Modell, das die möglichen Folgen einer Eskalation der aktuellen Situation annäherungsweise abbilden kann“, sagte HRI-Präsident Bert Rürup.

Die harten Sanktionen des Westens gegen Russland haben nach Ansicht des Instituts zu einer „Energiepreiseexplosion“ geführt, die mit der Ölpreiskrise von 1973 vergleichbar sei. Die Verteuerung von Energie werde über höhere Herstellungs- und Transportkosten auf fast alle Produkte durchschlagen. Es sei zwar denkbar, dass die hohen Öl- und Kohlepreise die Weltproduktion von fossilen Energieträgern stimulierten oder dass die Bundesregierung mit administrativen Regeln dem Preisschub gegensteuern werde. Gleichwohl rechnet das HRI mit einer Teuerung von 5,5 Prozent im Jahresmittel, ein Wert, der letztmalig 1981 im Zuge des ersten Golfkriegs überschritten wurde. Im Jahr 2023 dürfte das Preisniveau weiter zulegen, da moderate Zweitrundeneffekte über höhere Lohnabschlüsse wahrscheinlich seien und es zudem eine Weile dauere, bis sich höhere Rohstoffpreise über die Lieferketten in den Verbraucherpreisen niederschlagen würden. Daher sieht das HRI für 2023 eine Inflation von 3,7 Prozent. „Die von der EZB für die gesamte Eurozone prognostizierte Teuerung von 2,1 Prozent in 2023 ist wohl deutlich zu niedrig bemessen – und offenbar eher von Hoffnung denn von Fakten geprägt“, schreiben die HRI-Ökonomen.

Für das bevorstehende Frühjahr und den Sommer erwartet das HRI einen Anstieg des privaten Konsums, da nahezu alle Corona-Schutzmaßnahmen in Kürze entfallen sollen. Viele Verbraucher verfügten über hohe Ersparnisse, die sie während der Einschränkungen durch die Pandemie angesammelt hätten. Gedämpft werde diese Expansion des privaten Konsums durch die kräftig gestiegenen Energiepreise, die die reale Kaufkraft der Verbraucher merklich schmälerten. Allerdings dürfte der Zustrom von Flüchtlingen aus der Ukraine den inländischen Verbrauch spürbar steigern, insbesondere wenn der Krieg länger andauern sollte und die Flüchtlinge länger in Deutschland verweilen müssen. Insgesamt dürfte daher der private Konsum dieses Jahr real um 3,5 Prozent wachsen und 2023 sein Wachstumstempo auf 1,5 Prozent verlangsamen.

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