Das Handelsblatt Research Institute (HRI) hat seine Konjunkturerwartungen für Deutschland nochmals leicht nach unten revidiert. Für das laufende Jahr rechnen die HRI-Experten mit einem Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Leistung um 0,5 Prozent und für 2024 mit einem bescheidenen Zuwachs um 0,3 Prozent. Angesichts revidierter amtlicher Daten dürfte der Rückgang dieses Jahr damit zwar 0,2 Prozentpunkte geringer ausfallen als vor drei Monaten geschätzt. Das Wachstum im kommenden Jahr wird jedoch um 0,3 Punkte niedriger ausfallen als im Sommer prognostiziert.
„Die deutsche Volkswirtschaft steckt in der vielleicht schwierigsten Phase der Nachkriegsgeschichte“, sagt HRI-Präsident Bert Rürup. Die von Pandemie und Ukrainekrieg ausgelösten Konjunkturschocks würden von strukturellen Problemen verstärkt. Deshalb habe Deutschland als einzig große Volkswirtschaft das Vorkrisenniveau des Jahres 2019 noch nicht wieder erreicht. „Perspektivisch wird sich Deutschland an geringe Wachstumsraten gewöhnen müssen“, erwartet Rürup.
Mit seinen Konjunkturerwartungen für 2024 ist das HRI deutlich pessimistischer als die meisten anderen Experten, die mehrheitlich immerhin rund ein bis 1,5 Prozent Wachstum vorhersagen. Das HRI geht davon aus, dass der deutschen Volkswirtschaft keine Energiemangellage droht und damit eine neuerliche Winterrezession vermieden werden kann. Im Gegensatz zu den anderen Instituten sieht das HRI jedoch keinen merklichen Aufschwung, der 2024 Wachstumsraten von rund 0,5 Prozent pro Quartal mit sich bringen würde. Vielmehr werde sich die Konjunktur im Winter stabilisieren und dann auf ihr neues Trendwachstum von rund 0,2 Prozent pro Quartal einschwenken, so die HRI-Prognose.
Die Inflation wird weiter rückläufig sein, allerdings mit sechs Prozent in diesem und 3,3 Prozent im kommenden Jahr merklich über dem EZB-Ziel von zwei Prozent bleiben. Binnen vier Jahren wären damit die Verbraucherpreise um rund 20 Prozent gestiegen – und Einkommen und Geldvermögen in ähnlichem Maße entwertet.
Der private Konsum, der immerhin etwa die Hälfte zum Bruttoinlandsprodukt beisteuert, dürfte daher dieses Jahr real schrumpfen und diesen Rückgang 2024 in etwa wieder aufholen. Damit wird das Konsumniveau aber auch 2024 das Vor-Corona-Niveau des Jahres 2019 deutlich verfehlen.
„Ohne beherztes Gegensteuern wird Nullwachstum zur neuen Normalität“, warnt HRI-Präsident Rürup. Ohne gesamtwirtschaftliche Zuwächse würden aber die politischen Verteilungskämpfe schärfer. Schließlich könnten knappe Haushaltsmittel nur einmal ausgegeben werden, also entweder zur Kofinanzierung der Sozialversicherungen, zur Landesverteidigung, Dekarbonisierung, für eine Bildungsoffensive oder für die Modernisierung der Infrastruktur, so Rürup. „Dringend nötig wäre alles davon.“