Die berufliche Weiterbildung muss einen wesentlich größeren Stellenwert erhalten. Nur durch ständige Qualifizierung können Arbeitnehmerinnen wie Arbeitnehmer und Unternehmen den technologischen Wandel erfolgreich bewältigen. Dies ist der Hintergrund der Studie „Eine Qualifizierungsstrategie für die digitale Arbeitswelt“, die das Handelsblatt Research Institute im Auftrag der „Dieter von Holtzbrinck Stiftung“ erstellt hat.
Die digitale Transformation wird den Arbeitsmarkt deutlich verändern. Darauf müssen sich Politik, Verbände, Unternehmen wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einstellen – nicht demnächst, sondern heute. „Es wäre ein kapitales Versäumnis, sich darauf zu beschränken, die bewährten Lösungen im Bildungsbereich in die Zukunft zu verlängern“, warnt Professor Bert Rürup, der Präsident des Handelsblatt Research Institute. „Zu jeder Zeit war das Bewusstsein nie „ausgelernt“ zu haben, die notwendige Voraussetzung eines nachhaltigen Bildungserfolgs. Und das gilt im Besonderen für das aufziehende digitale Zeitalter mit einer zunehmenden Verkürzung der Halbwertzeit erworbener Kenntnisse und Fertigkeiten.“
Im internationalen Vergleich gilt Deutschland zwar im Bereich der betrieblichen Ausbildung als Vorbild. Völlig anders sieht dies dagegen im Bereich der Weiterbildung aus. „Bei einer Qualifizierungsstrategie für die digitale Arbeitswelt geht es insofern darum, die Zukunftsorientierung des Weiterbildungsbereich herzustellen und dauerhaft zu gewährleisten“, stellt Rürup fest. Wie der Weiterbildungssektor zukunftsorientiert aufgestellt werden kann und wie eine Qualifizierungsstrategie aussehen könnte, hat das Handelsblatt Research Institute im Auftrag der Dieter von Holtzbrinck Stiftung in dieser Studie analysiert.
Zentrale Ergebnisse der Masterplan-Studie „Eine Qualifizierungsstrategie für die digitale Arbeitswelt“ sind:
- Wichtige Zukunftskompetenzen: Die neuen Technologien benötigen Nutzer, die deren Funktionsweise verstehen, sie anpassen und weiterentwickeln können. Neben Faktenwissen ist zukünftig der kritische Umgang mit Daten gefordert. Hinzu kommt die allgemeine Lernkompetenz.
• Unterdimensionierte Fort- und Weiterbildung: Ausgerechnet die Gruppen von Erwerbstätigen, bei denen der Bedarf für Weiterbildung besonders hoch ist, nehmen nur selten an Weiterbildungsprogrammen teil.
• Erhebliche Systemdefizite: Empirische Vergleichsstudien zeigen, dass die Effektivität des deutschen Weiterbildungssystems – im Vergleich mit anderen Industrieländern – in mehrfacher Hinsicht unterdurchschnittlich ist. Es gibt kaum Verbindungen zwischen dem Weiterbildungsbereich und den Bereichen der Erstausbildung. Ausbildungsgänge und Weiterbildungsangebote sind nur selten miteinander verzahnt.Eine zukunftsorientierte Qualifizierungsstrategie muss daher vorrangig die folgenden sieben Elemente umfassen:
1. Lebenslanges Lernen: Alle Erwerbstätigen als auch alle Unternehmen müssen flexibel und offen für stetige Weiterbildungsbemühungen sein, wenn sie ihre Wettbewerbsfähigkeit in einer globalisierten und digitalisierten Arbeitswelt erhalten wollen. Auf Arbeitnehmerseite ist „Lebenslanges Lernen“ die Grundvoraussetzung zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit.
2. Inhalte der Weiterbildung: Das Weiterbildungsangebot muss stärker an der Nachfrage orientiert sein und nach Möglichkeit passgenau auf die Erfordernisse von Betrieben und Individuen zugeschnitten sein.
3. Höhere Bedeutung der Weiterbildung: Weiterbildung muss als vierte Säule des Bildungssystems etabliert sein und eine ähnliche Bedeutung bekommen wie die drei anderen Säulen des Bildungssystems, die schulische, die berufliche und die akademische Ausbildung.
4. Größere Markttransparenz: Der Markt für Weiterbildung in Deutschland ist unübersichtlich und fragmentiert und damit wenig effizient. Auch in Bezug auf die erworbenen Fähigkeiten und Kompetenzen muss die Markttransparenz erhöht werden.
5. Finanzielle Förderung: Das Volumen der Förderprogramme ist bislang nur gering. Das Nebeneinander verschiedener Förderansätze sollte reduziert und ein einheitlicheres System etabliert werden.
6. Bessere Verknüpfung der Institutionen: Neben Berufsschulen sollten auch Hochschulen im Weiterbildungsbereich eine größere Rolle als bislang spielen.
7. Neue Aufgaben für Wirtschaft und Gesellschaft: Durch eine Bündelung von Informationen können Verbände, Kammern und die Sozialpartner sowohl Unternehmen als auch Beschäftigten dabei helfen, sich ein Bild über die zukünftig nachgefragten Fähigkeiten zu machen. Eine ausgeprägte Kooperation zwischen den Sozialpartnern spielt bisher nur im Bereich der beruflichen Erstausbildung eine relevante Rolle.
Die letzte industrielle Revolution – die Massenfertigung und Elektrifizierung – hat in Verbindung mit der Globalisierung zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit vor allem von geringqualifizierten Arbeitskräften geführt. Um dies als Folge einer Digitalisierung von Produkten und Prozessen zu verhindern, ist ein vorausschauendes Agieren der Arbeitsmarktpolitik mit einem systematischen Weiterbildungsprogramm angezeigt.
„Da gerade Arbeitskräfte mit geringen Qualifikationsniveaus, deren Arbeitsplätze am stärksten durch die Transformation betroffen sein werden, vergleichsweise selten an einer Weiterbildung teilnehmen, geht es bei dem Thema Weiterbildung nicht nur um die Sicherung der Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Auch gesellschaftspolitisch dürfen wir nicht zusehen, wie die soziale Schere, die sich hierzulande bereits in der Schule zunehmend öffnet, auf dem Arbeitsmarkt noch weiter auseinanderklafft; digitale Kompetenzen sind so früh wie möglich zu vermitteln“, betont Christine Jacobi, Geschäftsführerin der Dieter von Holtzbrinck Stiftung.
Die Studie können Sie hier herunterladen.